Deutscher Gewerkschaftsbund

18.03.2016

Nachgefragt: Equal Pay for Equal Work

Oder: Warum der Equal Pay Day auf den 1. Januar gehört!


Der Equal Pay Day markiert den Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen. Dieses Jahr fällt er auf den 19. März. Wir befragen dazu Judith Gövert, Gewerkschaftssekretärin des DGB Köln-Bonn.

Frage: Wie hoch liegt der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern dieses Jahr?

Judith Gövert: Nach dem Statistischen Bundesamt verdienten Frauen durchschnittlich 16,20 Euro pro Stunde und damit 21% weniger als Männer, bei denen der Verdienst bei 20,59 Euro liegt. Der Unterschied ist ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr. Vermutlich hat die Einführung des Mindestlohns damit zu tun. Mit 70 Prozent ist der Anteil von Frauen im Niedriglohn-Sektor überdurchschnittlich hoch. Frauen haben vom Mindestlohn profitiert. Nichts desto trotz ist natürlich noch viel zu tun. So wie es ist, darf es nicht bleiben! 

Frage: Welche Rolle spielen Teilzeitbeschäftigung und die Familienarbeit?

Judith Gövert: Der Arbeitsmarkt ist geschlechtersegregiert. Das bedeutet: Es gibt eine unterschiedliche Verteilung von Männern und Frauen in Berufsbranchen und Positionen. Frauen arbeiten oft in Branchen, in denen weniger Entgelt gezahlt wird. Berufssektoren werden nach dem Prinzip der ökonomischen Verwertbarkeit bewertet. Berufe, die von Frauen dominiert werden, wie zum Beispiel die Pflegeberufe, verlieren hier, da die Arbeit am Menschen in diesem Land, obwohl sie dringend benötigt und zukunftsfähig ist, immer noch nicht den Stellenwert und die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Frauen haben außerdem aufgrund von Mutterschaft und Elternzeit andere Erwerbsbiografien als Männer und damit schlechtere Chancen auf einen Wiedereinstieg. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit. Das führt dazu, dass auch Altersarmut weiblich ist. „Gläserne Decken“ und Männernetzwerke verringern Aufstiegschancen für Frauen. Die Ursachen für die Ungleichheit sind also vielfältig.

Frage: Was machen die Gewerkschaften, um die Lohnlücke zu bereinigen?

Judith Gövert: Die DGB-Gewerkschaften halten den Finger in die Wunde. Seit Jahren zeigen wir nicht nur am Equal Pay Day die Lohnungerechtigkeiten in Deutschland auf. Gewerkschaften fordern, dass die Gleichstellungslücke überwunden werden muss. Wir kämpfen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was für uns natürlich alle Geschlechter betrifft, und für die eigenständige Existenzsicherung von Frauen. Dafür brauchen wir gesetzliche Vorgaben, betriebliches Handeln aber auch ein gesellschaftliches Umdenken. Eine Taftbindung hilft! In unseren Tarifverträgen werden alle Geschlechter gleichbehandelt. Der Kampf dafür ist Tagesgeschäft der DGB-Gewerkschaften. Auch die von uns jahrelang geforderte Quote beginnt zu wirken, obwohl sie natürlich ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Die Quote hilft in den Führungsetagen; unser Kampf für Geschlechtergerechtigkeit muss aber weiter gehen. Was ist mit der Erzieherin, die das Kind der Kollegin im Aufsichtsrat betreut? Die Quote nützt ihr herzlich wenig.

Frage: Was fordert ihr also?

Judith Gövert: Die große Koalition hat sich die Entgeltgleichheit in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir haben dazu konkrete Anregungen: Das im Teilzeit und Befristungsgesetz enthaltene Recht auf Teilzeit muss auf alle Beschäftigten ausgeweitet werden. Dabei spielt für uns die Betriebsgröße keine Rolle. Außerdem brauchen wir ein Recht auf befristete Teilzeit. Das erleichtert gerade Familien die Vereinbarkeit mit dem Job. Damit einhergehen muss das Recht, aus der Teilzeit wieder zurückkehren zu können. Nur so ist eine gleichberechtigte Einteilung der Familienarbeit zu gewährleisten. Eine riesige Baustelle ist das Thema Minijobs! Diese müssen reformiert werden. Soziale Absicherung ist das A und O für ein selbstbestimmtes Leben, nicht nur von Frauen. Auch so elementare Rechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub dürfen Minijobber_innen nicht weiter vorenthalten werden.

Frage: Ist es nicht ermüdend, jedes Jahr wieder über das gleiche Thema reden zu müssen? Ist der Equal Pay Day für junge Menschen überhaupt von Wert?

Judith Gövert: Mich macht es wütend, dass wir noch immer über das Thema reden müssen. Ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Viele Frauen und Männer meiner Generation sehen das ähnlich.

Wir haben die Quote, das Elterngeld und die jährliche Mahnung zum Equal Pay Day. Das ist richtig und wichtig, wurde lange erkämpft; aber reicht noch bei weitem nicht aus. Mir ist es wichtig zu betonen, dass es bei all den Forderungen nicht nur darum gehen kann zu schauen, dass Frau alles unter einen Hut bekommt: Kinderbetreuung, Haushalt, Job. Mir geht es ausdrücklich auch darum, dass es auch der Mann schafft. Ich glaube, dass genau das ein großes Thema gerade in der jungen Generation ist.

Junge Menschen fragen sich auch vermehrt, ob ein Vollzeitjob für das Leben überhaupt sinnvoll ist und wie man (Familien-)Arbeit in Lebensgemeinschaften aller Art am besten verteilen kann. Damit wir den Equal Pay Day endlich nicht mehr als Tag der Mahnung im Kalender aufnehmen müssen, müssen wir strukturellen Sexismus bekämpfen, wir müssen Geschlechterstereotypen zerschlagen und Menschen nach ihren Talenten und nicht nach Geschlecht fördern.

Wir sollten bestehende Herrschaftssysteme hinterfragen, entschlossen gegen Sexismus, Rassismus und Klassismus kämpfen, also gegen die Abwertung von Menschen allein aufgrund ihrer sozialen Stellung, ihrer Herkunft oder ihres Geschlecht. Wir müssen weiter denken – Räume öffnen für eine Vielfalt der Lebens-, Liebes-, Arbeits- und Zeitkonzepte! Damit wir bald nicht mehr sagen müssen: Equal Pay for Equal Work? We can´t believe we still have to protest this shit!


Hinweis: In der Reihe „Nachgefragt“ veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen ausführliche Stellungnahmen und Positionen von gewerkschaftlichen Experten/innen aus der Region Köln-Bonn. „Nachgefragt“ bietet nicht nur ausführliche Hintergrundinformationen, sondern spiegelt immer auch die persönliche Sichtweise der jeweiligen Experten/innen wieder. Die Texte können für Medienberichterstattungen genutzt werden.

Weitere Veröffentlichungen aus der Reihe „Nachgefragt“ finden Sie auf unserer Internetseite www.koeln-bonn.dgb.de. Dort können Sie „Nachgefragt“ auch als RSS-Feed abonnieren.

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