Im Ergebnis der Sondierungsgespräche „Viele Schnittmengen mit DGB Forderungen – Defizite bei Prioritätensetzung und Umsetzungsstrategien“von B90/Die Grünen, CDU und Volt sieht der Kölner DGB viele Schnittmengen mit den Forderungen der Kölner Gewerkschaften. „Natürlich ist ein Sondierungsergebnis noch kein Koalitionsvertrag. Die Mischung aus Leitbildern und unsortierten Detailpunkten ist nicht besonders glücklich und erweckt den Eindruck, dass die Verhandlungsdelegationen schon im Sondierungsstadium ihre Lieblingsprojekte festzurren wollten. Insgesamt skizziert das vorliegende Papier aber die wesentlichen Herausforderungen der kommenden Jahre wie Klimawandel, Mobilitäts- und Energiewende, gute Arbeit, bezahlbaren Wohnraum und sozialen Zusammenhalt“, so der Kölner DGB-Vorsitzende, Witich Roßmann.
„Gute Arbeit“ und Wirtschaftspolitik:
Besonders begrüßt der Kölner DGB, dass sich die drei Parteien für den Erhalt und Ausbau von gut bezahlten Arbeitsplätzen, gegen prekäre Beschäftigung und für eine Stärkung der dualen Ausbildung aussprechen. „Damit finden unsere Kernforderungen im Bereich Arbeit Eingang in die Koalitionsverhandlungen“, so Witich Roßmann. „Jetzt kommt es aber darauf an, dass die künftigen Partner im Koalitionsvertrag nachlegen und die kommunale Vergabe und Wirtschaftsförderung konsequent am Prinzip „Gute Arbeit“ ausrichten.“
Im Bereich der wirtschaftspolitischen Ziele sehen die Kölner Gewerkschaften ebenfalls Übereinstimmungen: „Wer den Wirtschaftsstandort stärken und zukunftsfest machen möchte, bekommt unsere Unterstützung. Allerdings gibt es hier mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen erheblichen Nachbesserungsbedarf: Die vorhandene Industrie, die seit Jahrzehnten zum Wohlstand der Stadt und ihrer Menschen beiträgt und in umfassenden Strukturveränderungen steckt, bleibt seltsam ausgeklammert. Hier sind Rat und Verwaltung gefordert, nicht nur neue Wirtschaftszweige wie E-Sport und die Startup-Szene sowie den Mittelstand in den Blick zu nehmen, sondern auch die beschäftigungsstarken Industriebetriebe im Umbruch zu elektromobiler Mobilität und Wasserstofftechnologien. Große Projekte der Energiewende wie Energieeinsparung, Umstieg auf CO2²-freie Technologien und Photovoltaik gehen nur mit innovationsstarken Industrieunternehmen und nicht gegen sie.“
Bezahlbarer Wohnraum:
Bei den Aussagen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sieht der Kölner DGB ebenfalls große Übereinstimmungen. „Mit vielfältigen Maßnahmen und einer Schärfung bestehender Instrumente wollen die drei Parteien das Kölner Wohnungsproblem angehen. Entscheidend ist aber, was hinten rauskommt. Deswegen müssen die Koalitionspartner in ihrer endgültigen Vereinbarung verbindliche und überprüfbare Ziele und Quoten vor allem bei den anstehenden Großprojekten wie Deutzer Hafen, Kreuzfeld oder Parkstadt Süd festlegen“, so DGB-Regionsgeschäftsführer Jörg Mährle. „Wenn die kommunalen Grundstücke wie bisher überwiegend an kapitalkräftige Investoren gehen, entsteht wieder nur hochpreisiger Wohnraum. Das hilft weder den Pflegekräften, noch den anderen systemrelevanten Berufsgruppen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Deswegen wünschen wir den Verhandlungsparteien mehr Mut zur Durchsetzung kommunaler Steuerungsmöglichkeiten für eine sozialpolitisch ausgerichtete Wohnungspolitik.“
Mobilität:
Der im Sondierungspapier genannte qualitative und quantitative Ausbau des ÖPNV wird auch vom DGB Köln unterstützt. „Viele Pendlerinnen und Pendler brauchen – und wünschen sich - eine attraktive und kostengünstige Alternative für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle. Allerdings sind Planungsdauer und finanzieller Aufwand für die angekündigten Maßnahmen erheblich. Was die Koalitionspartner planen, ist kein Sprint sondern ein Marathon. Deswegen muss die neue Ratsmehrheit eine klare Priorisierung vornehmen. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen vorgezogen werden, die mit Blick auf den Klimawandel am stärksten zu einer Reduzierung von CO²-Emissionen beitragen. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des ÖPNV“, so Witich Roßmann, „sondern auch der Ausbau der emissionsfreien E-Mobilität für Pendler/innen aus dem Umland, Handwerksbetriebe und Lieferdienste. Diese Gruppen sind auf individuelle Mobilität angewiesen und legen in der Regel Distanzen zurück, die mit einer Akku-Füllung zu bewältigen sind. Handwerk und Lieferdienste verfügen über eigene Betriebshöfe. Pendler/innen aus dem Umland haben meistens eigene Stellplätze an ihrem Wohnort. Damit bestehen gute Voraussetzungen, die notwendige Ladeinfrastruktur gezielt aufzubauen. Voraussetzung ist, dass die RheinEnergie beim Ausbau von Ladesäulen und Stromnetzen vordringlich diese Gruppen in den Fokus nimmt. Voraussetzung ist aber auch, dass die Wirtschaftsförderung die Betriebe über Fördermöglichkeiten informiert.“
Klima- und Umweltschutz:
Die besondere Bedeutung von Klima- und Umweltschutz, die das Sondierungspapier von Grünen, CDU und Volt zum Ausdruck bringt, wird auch von den Kölner Gewerkschaften geteilt. Allerdings weckt das Sondierungspapier nach Auffassung von Witich Roßmann hohe Erwartungen, ohne deutlich zu machen, wie die Koalitionspartner das Ziel einer gesamtstädtischen Klimaneutralität bis spätestens 2035 erreichen wollen und welche Konsequenzen damit für die Gesellschaft verbunden sind: „Ich sehe noch keine Umsetzungsstrategien bei den drei Parteien, keine großen Projekte und Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen. So birgt die angestrebte Klimaneutralität des Stadtwerke-Konzerns bis 2035 vielmehr die Gefahr, dass der steuerliche Querverbund wegbricht und die für den Haushalt der Stadt notwendige Gewinnabführung ausbleibt. Damit werden die Pläne für die Mobilitätswende gefährdet. Von den Auswirkungen für die von der RheinEnergie belieferten Industriebetriebe ganz zu schweigen.“ Der DGB Köln unterstützt deshalb den Appell von Verdi an die Stadtwerke Köln, die Lokalpolitik und das Bündnis „Klimawende Köln“, einen Weg der politischen Verständigung auf gemeinsame messbare Ziele zu suchen.
Aus Sicht des Kölner DGB müssen die Koalitionspartner in der Koalitionsvereinbarung nachhaltige Projekte definieren, die auch die sozialen Konsequenzen der geplanten Maßnahmen berücksichtigen: „Der Weg zur Klimaneutralität braucht nicht beständig neue Zielformulierungen, sondern energische und realistische Umsetzungsschritte. Sonst sind die besten Ziele nicht das Papier wert, auf dem sie stehen.“
Eine Absage erteilt der DGB den Plänen für ein eigenes Klimadezernat: „Wir brauchen keine Symbolpolitik, die nur Geld kostet. Wir haben keine Kenntnisprobleme, sondern Umsetzungsprobleme. Klimaschutz ist eine Querschnittaufgabe, die von allen Dezernaten zu leisten ist, besonders aber von den Fachdezernaten für Mobilität und Liegenschaften (Dezernat III), Umwelt und Wohnen (Dezernat V) sowie Stadtentwicklung, Bauen und Wirtschaft (Dezernat VI). Hier werden die Weichen für den Klimaschutz gestellt. Ein eigenes Klimadezernat ist dagegen ein zahnloser Tiger. Es hat keine Entscheidungskompetenzen und kostet nur Geld.“
Kita, Schule, Bildung:
Kritisch sieht der Kölner DGB, dass das Thema Bildung bei den bisherigen Verhandlungen scheinbar keine Rolle spielte. „Es ist schon bemerkenswert, dass Kitas und allgemeinbildende Schulen mit keinem Wort erwähnt werden, obwohl es in Köln rund 300 Schulen, 200 städtische Kitas sowie 400 Kitas von Trägern gibt“, findet Jörg Mährle. „Dabei hat die Stadt als Schulträger und im Bereich der Kitas eine zentrale Aufgabe zu erfüllen. Ich hoffe nicht, dass hier Einigkeit besteht, den herrschenden Sanierungsstau im bisherigen Tempo weiter zu verwalten.“
Absichten ohne „Preisschild“:
Das Papier enthält eine große Zahl von Zielen und Maßnahmen, allerdings keine Aussagen zur Finanzierung. Hier müssen die Koalitionspartner aus Sicht des Kölner DGB noch liefern. „Das Papier erinnert an einen Wunschzettel, der sich vor dem Hintergrund der kommunalen Finanzengpässe und erwartbaren Steuermindereinnahmen kaum realisieren lässt. Neben einer Priorisierung der Maßnahmen ist es daher unerlässlich, dass sich die Partner darauf verständigen, bei ihrer jeweiligen Landes- und Bundesebene für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen und einen sozialen Lastenausgleich für die Bewältigung der Pandemiefolgen einzusetzen. Ohne eine Neuordnung der Kommunalfinanzen und eine grundlegende Steuerreform werden der Handlungs- und Gestaltungsspielraum von Rat und Verwaltung immer enger und die Ziele unerreichbar.“
Fazit:
Aus Sicht des Kölner DGB geht das Sondierungspapier in vielen Bereichen in die richtige Richtung. „Allerdings kommt auf die Verhandlungspartner noch viel Arbeit zu, um klare, realistische und überprüfbare Ziele und Maßnahmen zu vereinbaren. Entscheidend ist, wie sich die Verhandlungspartner in den nächsten Wochen zusammenfinden, um eine transparente Vereinbarung abzuschließen, die von einer breiten Mehrheit im Rat und der Kölnerinnen und Kölner getragen wird“, so Roßmann. „Wir brauchen eine Aufbruchstimmung und einen progressiven Pragmatismus, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Maßnahmen gegen den Klimawandel, für eine Energie- und Mobilitätswende, für bezahlbaren Wohnraum, für sichere und gut bezahlte Arbeit müssen in den kommenden Jahren oberste Priorität haben. Sie müssen dabei aber an sozialer Gerechtigkeit ausgerichtet sein. Klimaschutz, Arbeit und Soziales dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wenn das den drei Parteien gelingt, wird es eine erfolgreiche Wahlperiode.“