Mobilität in der Arbeitswelt
Mobilität gehört für viele Berufstätige zum Arbeitsalltag. Sie ist eine Begleiterscheinung wirtschaftlicher Entwicklung und wird zukünftig weiter ansteigen. Gründe dafür sind die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt (z.B. Zunahme bei wechselnden Arbeitsorten, bei Schicht- oder Wochenendarbeit), Standortentscheidungen von Unternehmen, berufliche Entwicklung, aber auch der Wunsch nach (bezahlbarem) Wohnraum und das damit einhergehende Ausweichen auf ländlichere Regionen.
Die Anforderungen an räumliche Mobilität und berufliche Flexibilität steigen und gehen häufig Hand in Hand. Zusätzlich tragen Globalisierung, internationaler Handel – Stichwort ‚Europäischer Binnenmarkt‘ – und veränderte Produktions- und Lieferketten (Outsourcing, Zuliefererindustrie) zu einem Anwachsen des Güterverkehrs bei.
Laut dem Pendleratlas von IT.NRW fahren mehr als 131.000 Berufspendler/innen täglich nach Bonn, während fast 54 000 Auspendler/innen gezählt werden. Für Köln stehen fast 316.000 Ein- und mehr als 144.000 Auspendler/innen in der Statistik. Und auch aus, in und innerhalb des Rhein-Sieg-Kreises wird gependelt. Alleine Siegburg hat 20 000 Einpendler/innen (alle Zahlen von 2015).
Notwendige Investitionen in marode Straßen, Brücken, Schienen und Wasserwege
In den letzten Jahrzehnten wurde zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur investiert, so dass Straßen, Brücken und Schienen völlig überlastet und zum Teil in einem maroden Zustand sind. Es bedarf daher dringend einer ganzheitlichen Mobilitätsplanung, die Flächennutzungsplanungen einbezieht und alle Verkehrsträger einschließt. Wir brauchen eine Reihe von Maßnahmen: Sanierung, Aus- und Neubau von Straßen, Brücken und Schiene gehören ebenso dazu wie Strategien zur Verkehrsvermeidung und eine bessere Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger, denn die Verkehrsprobleme lassen sich nur begrenzt mit noch mehr Straßen lösen.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz – auch Themen von Arbeitnehmer/innen
Die Arbeitnehmer/innen in Bonn/Rhein-Sieg möchten möglichst reibungslose und mit geringem zeitlichen Aufwand ihren Arbeitsort erreichen. Sie wollen aber auch in einer Umwelt leben, die nicht krank macht. Der Klimawandel und wachsende Eingriffe in die natürliche Umwelt bedrohen weltweit unsere bisherige Art zu leben. Der Pro-Kopf-Energie- und Ressourcenverbrauch ist in allen Industrieländern nach wie vor zu hoch – auch in NRW. Die internationalen und nationalen Klimaschutzziele lassen sich nicht nur durch CO2-Einsparungen in der Industrie und in den Privathaushalten erreichen. Es bedarf außerdem großer Einsparungen im Straßenverkehr: Die Energiewende erfordert auch eine Verkehrswende. Nur durch ein abgestimmtes Nebeneinander von öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Schienenpersonennahverkehr (SPNV), motorisiertem Individualverkehr (MIV), Fuß- und Radverkehr und deren Verknüpfung kommen wir dem Treibhausgas-Reduktionsziel einem Stück näher und entlasten die Straßen.
Viele Kommunen entwickeln derzeit Mobilitätskonzepte. Hier gilt es, die Umsetzungshemmnisse zu identifizieren und Synergien zu nutzen. Wichtig ist dabei, den Menschen, die bisher das Auto als erstes Verkehrsmittel genutzt haben, attraktive Alternativen anzubieten.
Restriktive Maßnahmen, wie zum Beispiel die Reduzierung oder stärkere Bewirtschaftung von Parkraum in Innenstädten, sind eine Möglichkeit, Nutzerverhalten zu verändern. Dies ist allerdings nur dann eine Option, wenn die alternativen Verkehrsträger soweit ausgebaut sind, dass sie eine tatsächliche Alternative darstellen. Dafür müssen die Kommunen auch mutig sein und neue, innovative Ansätze und Möglichkeiten mitdenken.
Judith Gövert
Bonn/Rhein-Sieg – Was ist zu tun?
Die Kapazität der Straßen und Autobahnen ist in der Region an die Grenze gestoßen. Die anstehenden Sanierungen der Friedrich-Ebert-Brücke und des Tausendfüßlers erfordern ein regionales Baustellenmanagement, damit der Verkehr nicht vollkommen zusammenbricht. Dazu gehören auch Anreize zum Umstieg auf den ÖPNV oder das Fahrrad.
Aufgrund der regionalen Pendlerströme und der zu erwartenden weiteren positiven Ansiedlungs- und Bevölkerungsentwicklung ist eine Weiterentwicklung des regionalen Nahverkehrs unumgänglich. Als Beispiel dient die Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn, die seit Jahren immer stärker nachgefragt wird, aber schon länger an ihre absolute Belastungsgrenze stößt. Deshalb gilt es, in Bonn/Rhein-Sieg auch neue Ansätze zu wagen.
Einige Beispiele: Eine Seilbahn zum Venusberg – und in Verlängerung über den Rhein nach Beuel – ist nach der Machbarkeitsstudie der Stadt Bonn technisch umsetzbar und kann zu einer Verkehrsentlastung beitragen. Die Möglichkeit, den Rhein auch für den Personenverkehr zu nutzen (Stichwort ‚Wassertaxi‘) muss endlich angegangen und in den VRS-Tarif eingebunden werden. Gleiches gilt für die schon existenten Rheinfähren. Die wirtschaftlichen Interessen der unterschiedlichen Fährbetreiber müssen dabei berücksichtigt werden. Sharing-Modelle für Auto und Fahrrad haben sich vielerorts bewährt und müssen konsequent ausgebaut werden. Die in Bonn beschlossenen „Radstationen“ und das Projekt „Ein Rad für alle“ im Rhein-Sieg-Kreis sind ein guter Anfang.
Das Mobilitätsverhalten hat sich gerade in den Großstädten massiv verändert. Immer mehr Menschen sind bereit, auf ÖPNV und Fahrrad umzusteigen. Darauf müssen Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis stärker reagieren und die Infrastruktur entsprechend anpassen. Vor allem für den Rhein-Sieg-Kreis gilt dabei, dass zahlreiche Kommunen, die bisher nicht an das SPNV-Netz angeschlossen sind, mittelfristig attraktive Verbindungen erhalten.
Bund und Länder müssen dringend ein neues Fundament für die langfristige Finanzierung des ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge in Deutschland schaffen. Gleichzeitig müssen die Länder strukturelle und organisatorische Defizite beheben, die Finanzierung und die Mittelverwendung transparenter gestalten und eine konstante und langfristige Nahverkehrsplanung ermöglichen.
Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis bilden ein Ballungszentrum mit annähernd einer Millionen Einwohner/innen. Zukünftig werden sie aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen und der aktuellen Situation auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt noch enger und verzahnter kooperieren müssen. Es macht daher auch Sinn, die kommunale Daseinsvorsorge gemeinsam zu organisieren.
Ländlicher Raum und städtische Verkehrsstrukturen müssen aneinander angepasst und verflochten werden: Das Auto muss mit anderen Systemen wie ÖPNV und SPNV vernetzt werden. Integrierte Mobilitätskonzepte sind für Kommunen jeder Größe unerlässlich und sollten in Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und den umliegenden Städten und Gemeinden aufeinander abgestimmt werden.
Und konkret?
Es muss mehr in die Instandhaltung, die Modernisierung und den Ausbau von ÖPNV und SPNV investiert werden. Die für den ÖPNV-Bedarfsplan NRW durch die Stadt Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis angemeldeten Verkehrsprojekte müssen weiter geplant werden. Außerdem müssen die im Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Bonn festgelegten Ziele umgesetzt werden.
Zu den dringlichsten Aufgaben zählen die Kapazitätserhöhung der Stadtbahnlinien 66, 16 und 18, sowie eine Verdichtung der Taktung im Regionalverkehr. Der Bau einer Hardtbergbahn sowie einer Straßenbahn zwischen Holzlar und Beuel würden die Zugstrecke und die Straßen entlasten.
Die Strecke Köln-Bonn stößt an ihre Belastungsgrenze, obwohl der Bedarf steigt. Entlastung schafft nur der Ausbau des regionalen Nahverkehrs, z.B. eine rechtsrheinische Stadtbahn von Beuel über Niederkassel nach Köln und eine linksrheinische S-Bahn bis Bad Godesberg/Remagen. Um die Kapazität der Rheinstrecke für den Personenverkehr zu erhöhen und die Lärmbelastungen im Rheintal zu reduzieren, wäre der Bau einer Güterverkehrsstrecke außerhalb des Rheintals eine sinnvolle Maßnahme.
Vorhandene Strukturen gilt es zu überdenken und effizienter zu gestalten. So sind in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis gleich drei Busunternehmen (SWB, RSVG und RVK) im Einsatz. Eine stärkere Kooperation, gemeinsame Organisation und Beschaffung könnten Kosten senken und im Sinne der Fahrgäste zu Beschleunigungen in den Abläufen und besseren Abstimmungen führen.
Eine Elektrifizierung der Voreifelbahn, sowie der Ahrtalbahn, wäre nicht nur umweltschonender, sondern würde auch zu kürzeren Fahrzeiten führen, so dass der ÖPNV gegenüber dem MIV an Attraktivität gewinnen könnte.
Judith Gövert
Teile des Rhein-Sieg-Kreises sind aufgrund zerstreuter Siedlungsstrukturen nur unzureichend an den ÖPNV angebunden beziehungsweise mit diesem verknüpft. Wichtig ist daher, dass ausreichend Mittel des Strukturförderprogramms „Regionale 2022/2025“, für das Teile des Rhein-Sieg-Kreises den Zuschlag bekommen haben, in Mobilität und Infrastruktur fließen.
Wie bereits erwähnt, kann das Parkplatzmanagement als Push-Effekt bei bestehenden, attraktiven Alternativen die Straßen entlasten. Es ist aber kontraproduktiv, an den Stellen, an denen Arbeitnehmende vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, die Parkkosten hoch zu gestalten (Bsp.: Park and Ride Parkplatz in Bad Godesberg), bzw. nicht ausreichend Parkraum zur Verfügung zu stellen (Bsp.: Odenthal). Diese Fehlanreize führen zu mehr, statt weniger Verkehr auf den Straßen.
Aktuelle Systeme sollten auf den Prüfstand gestellt werden: Wie alt ist die Verkehrsleittechnik für den individuellen Straßenverkehr und für den ÖPNV? Lassen sich durch die Modernisierung der Technik Verkehrsabläufe und –flüsse optimieren?
Die Fahrpreise im VRS gehören zu den teuersten in Deutschland. Das Tarifsystem muss dringend kundenfreundlicher und preiswerter gestaltet werden. Eine Lösung wäre ein steuerfinanziertes Bürgerticket, das ergebnisoffen geprüft werden muss.
Die geplante Rheinbrücke Niederkassel-Wesseling/Godorf sollte neben der Straße Schienen für Stadtbahn, Fernverkehr und Güterverkehr beinhalten.
Die aktuelle Diskussion um die Luftreinhaltung fokussiert sich einseitig auf Dieselfahrzeuge. Fahrverbote beträfen den Wirtschaftsverkehr, Berufspendler/innen, Unternehmen und den Busverkehr des ÖPNV. Pendler/innen und Geschäftskunden stehen mit Ausnahme von Benzinfahrzeugen oft keine adäquaten Alternativen zur Verfügung. Aber Benzinmotoren stoßen deutlich mehr CO2 aus als Diesel-Fahrzeuge. Umso wichtiger ist die Schaffung von Ausweichmöglichkeiten: Ausbau des ÖPNV, Stärkung des Rad- und Fußverkehrs, Elektromobilität und Nutzung der Digitalisierung zur Vermeidung von Verkehren (Heimarbeitsplätze, Online-Besprechungen usw.). Begrüßenswert ist daher, dass die Bonner Busflotte auf E-Mobilität umgestellt werden soll.
Obwohl die Standortwahl ein entscheidendes Kriterium im Genehmigungsverfahren für die Müllverwertungsanlage in Bonn war, hat diese nach wie vor keinen Gleisanschluss. Dieser ist politisch unumstritten und muss dringend realisiert werden. Der Bau würde vom Eisenbahn-Bundesamt bezuschusst. Dringend benötigt wird auch der Container-Terminal in Niederkassel-Lülsdorf zur Entlastung der Straßen vom LKW-Verkehr.
Um den Güterverkehr zukunftsfest zu machen, müssen die bahnpolitischen Ziele im Schienengüterverkehrskonzept des Rhein-Sieg-Kreises umgesetzt werden. Der Rhein-Sieg-Kreis hat aufgrund der Möglichkeit der Verknüpfungen verschiedener Verkehrsmittel große Potentiale als Logistikstandort. Sinnvolle Verknüpfungspunkte verschiedener Verkehrsträger sind zum Beispiel in Niederkassel-Lülsdorf (Evonik Gelände), im Troisdorfer Stadtteil Friedrich-Wilhelms-Hütte (Mannstaedt und Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft) und im TroPark, in Siegburg (Siegwerk Druckfarben AG) und im Industriepark in Meckenheim. Diese gilt es zu nutzen. Das Gutachten „Potenziale des Schienengüterverkehrs in der Region Bonn/Rhein-Sieg“ (Januar 2013) Schienengüterverkehr empfiehlt die Einstellung eines „Kümmerers“. Diese Stelle sollte eingerichtet werden.
Um attraktive Alternativen zum MIV zu schaffen, sollten auch der Ausbau von Fahrrad- und Fußverkehr eine größere Rolle spielen. Der Bau von Radschnellwegen zwischen Bornheim, Alfter, Bonn, Sankt Augustin und Siegburg könnte mehr Menschen veranlassen, auf das Rad umzusteigen. Die Bereitschaft mit dem Fahrrad zu fahren, hängt ganz wesentlich davon ab, ob die Menschen sich sicher fühlen. Um das subjektive Gefühl der Verkehrssicherheit zu stärken und mögliche Hemmnisse abzubauen, müssen verkehrssichere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Aus diesem Grund ist auch die Sinnhaftigkeit eines Tempolimits (30 km/h) in den Städten zu prüfen. Dabei ist es wichtig, dass es innerstädtisch ein sinnvolles Verkehrskonzept unter Berücksichtigung des Fahrrads als Verkehrsmittel „auf Augenhöhe“ gibt. Sichere Abstellflächen für Räder müssen Teil eines solchen Konzeptes sein. Deshalb ist auch der Bau der neuen Bonner Radstation von hoher Priorität. Kleine Radstationen an den Bahnhöfen in Beuel und Bad Godesberg würden auch diese Bahnhöfe noch attraktiver für Pendler/innen machen.
Nicht zuletzt haben die Nutzenden der Verkehrsinfrastruktur eine Verantwortung. Deshalb begrüßen wir jedes Unternehmen, das Verantwortung übernimmt und sich im betrieblichen Mobilitätsmanagement engagiert. Insbesondere Betriebs- und Personalräte können hier eine zentrale Rolle spielen und Vorhaben vorantreiben. Die Kommunen und kommunalen Betriebe sollten mit gutem Beispiel voran gehen. Bei der Stadt Bonn ist eine Stelle für das betriebliche Mobilitätsmanagement politisch beschlossen; jetzt muss sie auch noch geschaffen werden.