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Im September 2020 finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Die Wahlen entscheiden darüber, in welche Richtung sich die einzelnen Gemeinden, Städte und Kreise in den kommenden Jahren entwickeln.
Die Kommunalwahlen haben für die DGB-Gewerkschaften in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis eine besondere Bedeutung. Es sind die Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte, in denen politische Entscheidungen für die Menschen direkt vor Ort erfahrbar sind.
Im September 2020 finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Die Wahlen entscheiden darüber, in welche Richtung sich die einzelnen Gemeinden, Städte und Kreise in den kommenden Jahren entwickeln.
Die Kommunalwahlen haben für die DGB-Gewerkschaften in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis eine besondere Bedeutung. Es sind die Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte, in denen politische Entscheidungen für die Menschen direkt vor Ort erfahrbar sind: Bei der Wohnungssuche, beim Verkehr, bei der Bildung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen, bei den Freizeitangeboten, bei Fragen der Versorgung und der Sicherheit in unterschiedlichen Lebenslagen.
Die Situation in städtischen und ländlichen Gebieten ist dabei von erheblichen Unterschieden geprägt. Während der Wohnungsmarkt in Bonn und dem direkten Umland überlastet ist, stehen ländlich geprägte Kommunen vor der Frage, wie eine flächendeckende Versorgung mit allem, was man zum Leben braucht, noch möglich ist. Kommunalpolitik muss hier die Zusammenhänge zwischen den scheinbar völlig gegensätzlichen Problemlagen sehen und gemeinsam Lösungen entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen gerecht werden. Das geht nur mit einer stärkeren interkommunalen Zusammenarbeit der einzelnen Städte und Gemeinden.
Kommunales Handeln entscheidet aber auch darüber, ob das gewerkschaftliche Leitbild „Gute Arbeit“ flächendeckend umgesetzt werden kann, und ob faire Löhne gezahlt werden: Einerseits bei den Kommunen und kommunalen Eigenbetrieben durch ihrer Funktion als Arbeitgeberin; andererseits durch die Ausschreibungs- und Vergabepraxis. Jährlich vergibt die öffentliche Hand bundesweit Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages an private Unternehmen. Die öffentliche Auftragsvergabe ist ein einflussreicher Wirtschaftsfaktor. Unsere Kernforderung lautet daher: Kommunen müssen Treiber für „Gute Arbeit“ sein!
Vor diesem Hintergrund sind die vorliegenden „Kommunalpolitische Forderungen
2020 - 2025“ des DGB-Kreisverbandes Bonn/Rhein-Sieg Angebot und Forderung zugleich: Angebot, dass die Gewerkschaft ihre Expertise den kommunalpolitisch Verantwortlichen zur Verfügung stellen; Forderungen, weil die DGB-Gewerkschaften als mit Abstand größte organisierte Vertretung von Arbeitnehmer*innen erwarten, dass die Verantwortlichen diese Expertise nutzen.
Die kommunalpolitischen Forderungen des DGB-Kreisverbands Bonn/Rhein-Sieg sind aber auch eine Hilfestellung für die Wahlentscheidung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Rentnerinnen und Rentner sowie für die Jugend.
Bernd Weede (IG BCE), Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Bonn/Rhein-Sieg
Christophe Hassenforder (IG Metall), stellvertretender Vorsitzender
Rainer Bohnet (EVG), stellvertretender Vorsitzender
Die DGB-Gewerkschaften setzen sich für „Gute Arbeit“ und eine zukunftsfähige Ausbildung ein. Für uns ist „Gute Arbeit“ gekennzeichnet durch eine faire und tariflich abgesicherte Bezahlung, durch betriebliche Mitbestimmung sowie unbefristete und sichere Beschäftigungsverhältnisse. Gesundheitsschutz und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. „Gute Arbeit“ bietet Entwicklungs-, Einfluss- und Lernmöglichkeiten sowie soziale Beziehungen unter den Beschäftigten.
Im Vergleich zu vielen Regionen in Deutschland ist die Ausgangslage in Bonn/Rhein-Sieg relativ gut. Die Arbeitslosenquote liegt unter dem Landesdurchschnitt; Gehalts- und Qualifikationsniveau der Beschäftigten sind überdurchschnittlich; Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse steigt seit Jahren.
Doch darauf dürfen sich die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nicht ausruhen. Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel und Mobilitätswende treiben einen Strukturwandel voran, der auch die Region erfasst.
Außerdem: Trotz steigender Beschäftigungszahlen sind in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis über 27.000 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen – davon werden ca. 9.500 als Langzeitarbeitslose geführt. Ferner leben in Bonn rund 5.000 Regelleistungsbedarfsgemeinschaften (RL-BG) – ein Begriff der Agentur für Arbeit - und im Rhein-Sieg-Kreis rund 6.100 RL-BG, die über Einkünfte aus Erwerbsarbeit verfügen, von denen sie nicht eigenständig leben können. Die Niedriglohnquote liegt in der Region bei 17,1 Prozent.
Die wenigen Kennzahlen zeigen: Wir haben einen gespaltenen Arbeitsmarkt. Deswegen brauchen wir eine aktive kommunale Arbeitsmarktpolitik, die dazu beiträgt, Niedriglöhne zu bekämpfen und arbeitslosen Menschen Perspektiven für Arbeit und Ausbildung zu eröffnen.
Kommunen als Vorbild!
Die Stadt Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und die kreisangehörigen Kommunen müssen bei den Arbeitsbedingungen für die eigenen Beschäftigten – und für die Beschäftigten kommunaler Eigenbetriebe – Vorbild sein. Dazu gehören:
Kommunen als „Treiber“!
Die Öffentliche Hand muss Treiber für „Gute Arbeit“ sein. Sie muss Unternehmen „treiben“, die sich bisher nicht ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Bei Beschaffung, Vergaben und Ausschreibungen müssen die Kommunen und ihre Töchter konsequent darauf achten, dass soziale und ökologische Kriterien von den Auftragnehmern/Anbietern erfüllt werden. Dies lassen die Vergaberichtlinien der EU und des Landes zu.
Wir fordern einen verbindlichen „Masterplan Beschaffung, Ausschreibung und Vergabe“, mit dem die einzelnen Kommunen strategisch steuernd Einfluss nehmen, um
Faire Bezahlung darf kein Wettbewerbsnachteil sein! Der Masterplan muss Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen enthalten, damit er Wirkung entfalten kann.
Strukturwandel gestalten!
Den Strukturwandel nach dem Berlin/Bonn-Gesetz hat die Region mit Blick auf die Ansiedlung neuer Unternehmen gut gemeistert. Jetzt kommt es darauf an, den „Rutschbahneffekt“ durch einen Bonn-Berlin-Vertrag zu stoppen. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Kommunen in dieser Frage gemeinsam und parteiübergreifend agieren. Ziel muss es sein, Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum zu stärken und die Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin neu auszutarieren und dauerhaft abzusichern. Das setzt zwingend voraus, dass die Bundesministerien weiterhin auch am Dienstsitz Bonn angesiedelt bleiben.
Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und Mobilitätswende stellen die Region vor zusätzliche Herausforderungen. Dieser Strukturwandel muss von kommunaler Seite stärker gesteuert werden. Das gilt vor allem für neue Beschäftigungsverhältnisse im privaten und öffentlichen Dienstleistungssektor sowie in klein- und mittelständischen Unternehmen, die häufig nicht unter den Schutz von Tarifverträgen stehen, im Niedriglohnsektor angesiedelt sind und ohne betriebliche Mitbestimmung auskommen müssen. Wir fordern daher:
Es geht um Haltung!
Insgesamt geht es bei der Wirtschaftspolitik um Haltung! Wollen Politik und Verwaltung um jeden Preis Arbeitsplätze nach dem Motto „Sozial ist, was Arbeit schafft“ oder setzen sie sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für „Gute Arbeit“ ein. Es dürfen nicht die Menschen vergessen werden, die täglich mit ihrer Arbeit zum Wohlstand beitragen oder zentrale Dienstleistungen übernehmen, damit andere Beschäftigte überhaupt ihrer Arbeit nachgehen können. Konkret bedeutet das für den:
Gute Ausbildung für alle!
Betrachtet man die Zahlen der Agentur für Arbeit, dann sieht es auf dem Ausbildungsmarkt in der Region Bonn/Rhein-Sieg für Schulabgänger*innen gut aus: Es gibt mehr Stellen als Bewerber*innen. Dennoch nimmt die Zahl der Jugendlichen, die nach dem Schulbesuch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und deswegen im sogenannten Übergangssystem – schulische Angebote an den Berufskollegs oder bei Bildungsträgern – landen, kaum ab. Betrachtet man die Zahlen genauer, dann fällt auf:
Aus gewerkschaftlicher Sicht müssen vor allem Dienstleistungsbranchen mit Fachkräftemangel ihre Arbeits- und Ausbildungsbedingungen erheblich verbessern, um für junge Menschen attraktiv zu sein. Hochglanzbroschüren und Lippenbekenntnisse reichen nicht aus! Gerne unterstützen und beraten wir die betroffenen Branchen dabei. Der jährlich erscheinende Ausbildungsreport der DGB-Jugend[1] gibt wichtige Hinweise und Tipps für notwendige Veränderungen.
Außerdem halten wir es für notwendig, alle Unternehmen an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen – auch die, die nicht selber ausbilden und ihren Fachkräftebedarf durch Abwerbung decken. Eine regionale Ausbildungsumlage ist die Lösung! Sie führt zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Betrieben. Gleichzeitig schafft sie finanzielle Spielräume, damit die öffentliche Hand verstärkt duale Ausbildungsplätze für die Bewerber*innen anbieten kann, die auf dem Ausbildungsmarkt keine Chance haben.
Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen!
Über 27.000 Menschen sind in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis direkt von Arbeitslosigkeit betroffen. Für Menschen, die Arbeitslosengeld I (Versicherungsleistung) erhalten, sind die Chancen für eine neue Arbeitsaufnahme relativ gut. Anders sieht es hingegen beim Arbeitslosengeld II (Hartz-IV-Leistung) aus. Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit verringert sich die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeitsstelle zu finden. Und wenn es doch gelingt, dann ist die Stelle häufig im Niedriglohn angesiedelt.
Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und die kreisangehörigen Städte und Gemeinden müssen mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik stärker Einfluss nehmen, z.B. in ihrer Funktion als Träger der Jobcenter.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Jobcenter Bonn und Rhein-Sieg das neu geschaffene Instrument des sozialen Arbeitsmarktes nutzen, um langzeitarbeitslosen Menschen eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Darüber hinaus fordern wir einen überprüfbaren Masterplan zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis unter der Führung der beiden Jobcenter mit folgenden Elementen:
Quellenangaben für die Zahlen:
Agentur für Arbeit Bonn: Arbeitsmarktreport 3/2020
Agentur für Arbeit: Bedarfe, Zahlungen und Einkommen (Monatszahlen), September 2019
Agentur für Arbeit: Langzeitarbeitslosigkeit (Monatszahlen), Februar 2020
Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst – auch in der Region Bonn/Rhein-Sieg. Trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklungen und des Job-Booms der vergangenen Jahre hat sich die Einkommensschere weiter geöffnet. Der Anteil der Haushalte, die weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung haben und deshalb als arm gelten, steigt kontinuierlich.
Aus gewerkschaftlicher Sicht müssen Kommunen daher die Funktion eines „lokalen Sozialstaates“ übernehmen. Hierzu gehören die in Kapitel 1 beschriebene Ausrichtung der Struktur- und Wirtschaftspolitik sowie Beschaffung, Ausschreibung und Vergabe am Prinzip der „Guten Arbeit“ und eine kompensatorische Bildungspolitik mit einer starken inklusiven und integrativen Ausrichtung (Kapitel 6).
Daseinsvorsorge als soziale Klammer
Eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge, eine leistungsfähige Infrastruktur und ein zuverlässiger und bürgernaher öffentlicher Dienst sind unverzichtbar für gute Lebensbedingungen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für uns gilt: Soziale Gerechtigkeit wird insbesondere durch die öffentliche Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge sichergestellt.
Zur Daseinsvor- und -fürsorge gehören die Stadtverwaltung mit dem gesamten Bürgerservice, kommunale Bildungseinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfe, Altenbetreuung und Pflege, öffentlicher Personennahverkehr, Ver- und Entsorgung, Telekommunikation, Verkehrsinfrastruktur einschließlich Häfen und Flughafen, Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, Sparkasse, gesundheitliche Grundversorgung, bezahlbarer Wohnraum, Kunst und Kultur. Hier gilt:
Die Daseinsvor- und fürsorge leidet in vielen Bereichen unter Personalmangel und Arbeitsverdichtung. Zusätzlich bedroht die demographische Entwicklung der Beschäftigten die Leistungsfähigkeit. Hier muss die öffentliche Hand stärker die Kompetenz der Mitbestimmungsorgane nutzen, um sich für die Zukunft aufzustellen. Außerdem brauchen wir eine konsequentere Digitalisierungsstrategie, um die Beschäftigten zu entlasten und die „Behördengänge“ für die Bürger*innen zu vereinfachen.
Vielfalt anerkennen, Zusammenleben gestalten!
Die Stadt Bonn und die Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises sind durch Vielfalt gekennzeichnet: Alter, Geschlecht, Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung, Bildungsstand, Ernährungsgewohnheit, politische Einstellung, Werte, Lebensstile oder finanzieller Status sind nur einige Kriterien, die zeigen, wie unterschiedlich die Menschen an Rhein und Sieg sind.
Individualität und Vielfalt sind eine Bereicherung, schaffen aber auch neue Herausforderungen und Konflikte. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum führt beispielsweise zu einer Ressourcenkonkurrenz zwischen eingewanderten und hier geborenen Menschen. Gleiches gilt für gut bezahlte Arbeitsplätze. Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte erleben immer noch Diskriminierung und Rassismus. Erfolgreiche Bildungsabschlüsse sind stark von der (sozialen) Herkunft abhängig.
Diese Fragen lassen sich nur gesamtgesellschaftlich, unter größtmöglicher Beteiligung der verschiedenen Gruppen beantworten. Verwaltung – besonders aber die Parteien – stehen hier in einer besonderen Verantwortung, Raum und Struktur für die notwendigen Diskussionen zu schaffen. Denn: Parteien sollen Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung nehmen, die Teilnahme von Bürger*innen am politischen Leben fördern und als lebendige Verbindung zwischen der Bevölkerung und den „Staatsorganen“ fungieren. Diesem Auftrag müssen sich die Parteien wieder stärker stellen.
Raum für Vielfalt und Ehrenamt sichern und entwickeln!
Vielfalt braucht im wahrsten Sinne des Wortes „Raum“ – also soziale Infrastruktur. Basis sind die Bürger- oder Gemeindezentren, deren Angebote möglichst weiter ausgebaut werden müssen. Basis sind aber auch die vielen Vereine, Initiativen und Netzwerke, in denen sich Menschen ehrenamtlich engagieren - für Jung und Alt, für Männer, Frauen oder Diverse, für Menschen mit oder ohne Zuwanderungsgeschichte, für den Erhalt von Traditionen, für Tier- oder Naturschutz, für Gesundheit oder Sport, für Menschen, die Hilfe oder Unterstützung benötigen. Dabei gilt:
Raum für Vielfalt hat zudem mit der Gestaltung des Stadtraumes zu tun – besonders mit der Aufenthalts- und Verweilqualität. Bänke, Brunnen, Spiel- und Freiflächen sowie Außengastronomie sind Orte der Begegnung. Notwendig sind aber ausreichende Pflege und Reinigung dieser „Begegnungsflächen“, damit sich Menschen dort gerne aufhalten und sicher fühlen. In Bonn und vielen Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises ist noch „Luft nach oben“:
Zumindest in Gesprächen unserer Mitgliedschaft werden diese Fragen oft verneint. Das ist ein Warnsignal, welches Politik und Verwaltung ernst nehmen müssen.
Kinderarmut bekämpfen!
Soziale Gerechtigkeit beginnt bei den Jüngsten. Kinderarmut ist in Bonn mit 16.000 betroffenen Kindern keine Randerscheinung. Sie hat wesentliche negative Folgen für deren Startchancen in ein gutes und von Zuversicht geprägtes Leben.
Kinderarmut hat vor allem zwei Ursachen: Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse der Eltern. Dabei sind Alleinerziehende besonders betroffen. Seit Jahren weist der „Runde Tisch Kinderarmut“ in Bonn auf die Problemlagen hin und unterbreitet Vorschläge für Verbesserungen. Rat und Verwaltung müssen deutlich mutiger und konsequenter das Problem angehen. Die Mitglieder des Runden Tisches – einschließlich des DGB - stellen ihre Expertise gerne zur Verfügung.
Gutes Leben im Alter sichern!
In Bonn leben rund 60.000 Menschen, die 65 Jahre oder älter sind. Im Rhein-Sieg-Kreis leben rund 120.000 Senioren*innen. Tendenz steigend. Investitionen in eine altersgerechtere Gestaltung der Kommunen nutzen allen – irgendwann gehören wir alle (hoffentlich) zur Gruppe der Senioren*innen. Politik und Verwaltung müssen die besonderen Bedarfe und Anforderungen der älteren Generation konsequenter berücksichtigen. Dazu zählen:
Kunst und Kultur: Hinter die Kulissen schauen!
Der kulturelle Sektor ist identitätsstiftend. Er ist aber auch politisch, indem er gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift und dabei Anregung und Orientierung bietet. Kunst und Kultur sind ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Als „freiwillige“, d.h. von der Kommune selbst gestaltbare Aufgabe, leiden die Angebote besonders unter der angespannten Haushaltslage.
Aus gewerkschaftlicher Sicht sind hier vor allem die Arbeitsbedingungen von freien Mitarbeiter*innen und Honorarkräften zu nennen, die – um ein Bild zu nutzen – teilweise an den „Armen Poeten“ von Carl Spitzweg erinnern. Geld für eine umfassende Digitalisierungsstrategie für die regionalen Museen fehlt ebenfalls. Diese ist dringend notwendig, da sich das „Konsumverhalten“ verändert und digitale Medien / Quellen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Zur Kultur im weitesten Sinn gehören auch die Arbeitsbedingungen derjenigen, die Kunst und Kultur produzieren. Insbesondere die freie Kulturszene ist geprägt von prekären Arbeitsverhältnissen und Löhnen am Rande des Existenzminimums.
Aber auch bei städtischen Kultureinrichtungen steht nicht alles zum Besten. Der Anteil von befristeten Beschäftigten oder Honorarkräften ist hoch. Dies erschwert einerseits eine kontinuierliche Arbeit, da die Betroffenen schnell wieder abwandern, wenn sich ihnen verlässliche Berufsperspektiven bieten. Andererseits ist damit auch die Qualität der Kulturarbeit betroffen, denn: Nur mit verlässlichen Arbeitsbedingungen und einer auskömmlichen Finanzierung lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Die Kommunen sind daher gefordert, die im Kapitel “Gute Arbeit“ genannten Kriterien für die eigenen Beschäftigten umzusetzen und bei der Förderung der freien Kulturszene als Bedingung zu setzen.
Darüber hinaus gilt: Kunst und Kultur sind ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. Für die Außendarstellung der Region, ihre Attraktivität für Firmenansiedlungen und den Zuzug von Fachkräften sowie für den Tourismus ist die Ausstrahlung der städtischen und privaten Kultureinrichtungen wichtig.
Wohnen ist ein Menschenrecht und ein Maßstab für soziale Gerechtigkeit! Das Grundrecht auf Wohnen ist in Artikel 25 der Allgemeinerklärung der Menschenrechte und in Artikel 11 des UN-Sozialpakts verankert. Die Versorgung mit Wohnraum ist damit eine öffentliche Aufgabe.
Es fehlt in Bonn und den angrenzenden Kommunen an bezahlbarem Wohnraum. Schon die klassische „Mittelschicht“ hat Probleme, passenden Wohnraum zu akzeptablen Preisen zu finden. Eine Folge: Arbeitnehmer*innen mit durchschnittlichen Gehältern müssen einen immer höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für die Miet- und Mietnebenkosten ausgeben. Für Menschen mit niedrigen Einkünften ist es fast unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu finden. In der Wohnungsnot liegt sozialer Sprengstoff. Hinzu kommt: Bonn und weite Teile des Rhein-Sieg-Kreises gehören zu den stark wachsenden Regionen Deutschlands. Schon heute ist absehbar, dass in weniger als 10 Jahren etwa 30.000 Wohneinheiten fehlen.
Bezahlbaren Wohnraum schaffen!
Die bisherigen Bemühungen der Stadt Bonn und der umliegenden Kommunen, mehr Wohnraum zu schaffen, reichen nicht aus. Marktmechanismen und kapitalkräftige Investoren werden die Wohnungsnot nicht beseitigen. Wohnen ist ein Menschenrecht und kein Renditeobjekt. Kapitalinteressen und bezahlbarer Wohnraum stehen im Widerspruch zueinander. Wir fordern:
Einfluss auf Miethöhe nehmen!
Mit den genannten Maßnahmen können die Kommunen Einfluss auf die künftige Mietentwicklung nehmen. Allerdings sind weitere Schritte notwendig, die schneller wirken, um den ständig steigenden Mieten in den Ballungsräumen zu begegnen und eine Gentrifizierung zu verhindern:
Integrierte Stadtentwicklung vorantreiben!
Der hohe Bedarf an Neubauwohnungen bietet die Chance auf eine moderne, zukunftsgerichtete Stadtentwicklung in Bezug auf Verkehrserschließung, ökologischen Bauens, CO²-armer Energieversorgung oder flexibler und modularer Grundrisse für sich ändernde Ansprüche. Wichtig ist dabei, dass sich diese Neubauflächen am Bedarf der Menschen ausrichten – von Freiflächen, über Bildungsinfrastruktur bis zu Nahversorgungsmöglichkeiten. Für uns gilt:
Ländlichen Raum aufwerten!
Alle beschriebenen Maßnahmen werden nicht ausreichen, den Wohnungsbedarf beispielsweise in Bonn, Troisdorf oder Siegburg zu decken. Notwendig ist daher eine Aufwertung und bessere Anbindung des ländlich geprägten Umlandes an die zentralen Orte. Der ländliche Raum muss als Wohn- und Gewerbestandort aufgewertet werden. Dies gelingt nur, wenn:
Regionale Zusammenarbeit stärken!
Das Agglomerationskonzept des Region Köln-Bonn e.V. ist eine wichtige Blaupause für die künftige Entwicklung. Es zeigt Wege auf, den wachsenden Wohnraumbedarf zu decken und die damit verbundenen Mobilitätsfragen im Ballungsraum Köln-Bonn zu lösen. Das Agglomerationskonzept macht aber auch deutlich, dass die zentralen Herausforderungen der Region – Wohnen, Mobilität, Klima, Strukturwandel – nur in enger Kooperation der Städte und Gemeinden gelöst werden können. Aus diesem Grund müssen sich die Kommunen im Rahmen einer Selbstverpflichtung darauf verständigen, ihre Planungen zur Ausweisung neuer Wohngebiete an diesem Konzept auszurichten.
Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Mobilität ist aber auch unverzichtbare Voraussetzung für Arbeitnehmer*innen zur Wahrnehmung ihrer Berufe. Alleine 131.000 Berufspendler*innen strömen täglich nach Bonn und etwa 54.000 pendeln täglich aus der Stadt, um ihre Arbeitsplätze zu erreichen. Mobilität ist aber auch wichtig für eine funktionierende Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung.
Der Zunahme der Mobilität in den vergangenen Jahrzehnten steht ein enormes Defizit an Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur gegenüber. Notwendige Investitionen in marode Straßen, Brücken und Schienenwege sind in den vergangenen Jahrzehnten auch in Bonn/Rhein-Sieg ausgeblieben.
Seit Jahren werden Schadstoffgrenzwerte an Bonner Messstellen überschritten. Die gerichtliche Auseinandersetzung über ein Dieselfahrverbot ist daher eine schallende Ohrfeige für Rat und Verwaltung.
Mobilitätswende vorantreiben!
Mobilität und Verkehr sind von Nachhaltigkeit und Umweltschutz nicht zu trennen. Alle Menschen wollen in einer Umwelt leben, die nicht krank macht. Viele wissen um die Bedeutung des Klimawandels. Viele Städte und Kreise haben bereits Mobilitätskonzepte entwickelt, die Straße und Schiene berücksichtigen, aber auch attraktive Alternativen zum Auto entwickeln. Für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis steht ein integriertes Mobilitätskonzept noch aus.
Eine moderne Mobilitätsinfrastruktur muss bezahlbare Mobilität in guter Qualität für alle Menschen ermöglichen und zugleich die Umwelt schützen. Die Kapazität der Straßen und Autobahnen stoßen in der Region immer mehr an Grenzen. Große Projekte wie die Sanierung der Friedrich-Ebert-Brücke, des Tausendfüßlers und der Nordbrücke sind noch nicht abgeschlossen. Vor dem Hintergrund der starken Verkehrsbelastungen ist der Umstieg auf ÖPNV und Fahrrad eine Strategie zur Verbesserung der Mobilität für alle in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis.
Der DGB-Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg fordert daher integrierte kommunale Mobilitätskonzepte, die zu einem regionalen Gesamtkonzept gebündelt werden. Zentrale Punkte sind:
Sanierungsstau beseitigen!
Trotz der angestrebten Mobilitätswende bleibt eine Sanierung der maroden Straßen, Brücken und Schienenwege eine zentrale Aufgabe. Das bestehende Baustellenmanagement muss optimiert werden, um die einzelnen Maßnahmen zeitlich besser abzustimmen. Entscheidend ist auch, bei Planung und Umsetzung die Mobilitätswende konsequent zu berücksichtigen. Dazu gehören:
Finanzierung sicherstellen!
Die Mobilitätswende kostet Geld. Günstigere Tickets – oder sogar ein kostenloser Nahverkehr – sind beispielsweise nur möglich, wenn mehr öffentliche Mittel in den ÖPNV fließen. Wien und Kopenhagen zeigen die Richtung.
Für Planung und Umsetzung wird deutlich mehr Personal benötigt. Gleiches gilt für die notwendige Sanierung von maroden Brücken und Straßen sowie für das regionale Baustellenmanagement mit seiner koordinierenden Funktion bei der Sanierung von Hauptverkehrsachsen. Politik und Verwaltung müssen daher deutlich mehr Mittel und Stellen im Haushalt einplanen als bisher geschehen.
Der Bau und Ausbau von Verkehrsinfrastrukturprojekten ist immer auch mit Protesten und zeitaufwendigen Klagen von Anwohner*innen verbunden. Im Gegensatz dazu gelingt es beispielsweise den Niederlanden viel besser, bei Planung und Umsetzung von Großprojekten einen Interessenausgleich herzustellen. Ein Interessenausgleich kostet Ressourcen – für mehr Kommunikation, für Alternativplanungen oder für Ausgleichsmaßnahmen. Auch das ist ein Grund, warum die Kommunen mehr Mittel im Haushalt einplanen müssen.
Alle Menschen wollen in einer möglichst intakten Umwelt leben, gesunde Luft atmen und sauberes Wasser trinken. Diese Wünsche stehen im Konflikt mit anderen Bedürfnissen, z.B. nach Wohnraum, Heizen, Mobilität, Energie, Arbeit, Ernährung, Bekleidung, Kommunikation oder Konsum, die immer auch mit Ressourcenverbrauch und Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sind. Die Beispiele zeigen: Es gibt viele Zielkonflikte, die einfache Lösungen verhindern.
Unbestritten ist: Die beängstigenden Szenarien zum Klimawandel machen ein schnelles und deutliches Umsteuern weiter Lebensbereiche notwendig – angefangen bei den großen CO²-Emissionsquellen Verkehr, Wohnen, Energie und Landwirtschaft. Dabei gilt für uns, dass ein nachhaltiger Umbau der Gesellschaft über eine reine Klima- und Umweltpolitik hinausgeht. Sie umfasst auch die Bekämpfung von Armut, zielt auf Gesundheit und Wohlergehen, fördert „Gute Arbeit“ und Wirtschaftswachstum. Dass Soziales und Umwelt zusammen gedacht werden müssen, haben Gewerkschaften seit den 1970er Jahren erkannt und dabei deutlich gemacht, dass Klimaschutz und „Gute Arbeit“ kein Widerspruch sind.
Die notwendigen klimapolitischen Weichenstellungen müssen in ein nachhaltiges Gesamtkonzept eingebunden sein. Sie lassen sich nur im gesellschaftlichen Konsens erzielen. Sie müssen von den Menschen getragen werden und dürfen nicht zu einer sozialen Spaltung führen, bei der nur Menschen mit geringen Einkünften Veränderungen spüren. Die soziale und ökologische Transformation unserer Gesellschaft braucht eine breit angelegte Unterstützung und gesellschaftliche Mehrheiten. Beides ist nur auf Basis eines zivilen, respektvollen und gewaltfreien Umgangs unter Einhaltung demokratischer Regeln und Werte möglich, denn auch für den Klimaschutz gilt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.
Diskussionen entzerren - neue Politikformen nutzen!
Vor dem Hintergrund zunehmender (Interessen-) Konflikte muss sich die Kommunalpolitik ändern. Anstelle „bundestagstauglicher Debatten“ in Räten und Ausschüssen, die außerhalb der Rathäuser kaum wahrgenommen werden, ist eine transparentere Diskussion und Kommunikation bei politischen Entscheidungen dringend notwendig. Für uns gilt:
Kommunale Klimaschutzbeauftragte als Stabsstelle einrichten!
Aufgabe der Klimaschutzbeauftragen ist es, als Clearingstelle für Kommunalpolitik und Verwaltung, Industrie, Handel und Gewerbe und Bevölkerung tätig zu sein. Sie beraten und überwachen die Beschlüsse und Maßnahmen in kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Sie sind Ansprechpartner*in für die Öffentlichkeit in allen Fragen des Klimaschutzes. Das bereits bestehende Klimaschutzkonzept der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums muss auf alle umwelt- und klimapolitischen Entscheidungen der Kommunalpolitik bezogen werden.
Kommunen als Vorbild!
Zur Verbesserung des Beitrags, den die Stadt Bonn, der Rhein-Sieg Kreis und die kreisangehörigen Städte für die Klimapolitik leisten, fordern wir:
Positive Aufbruchsstimmung statt Verbotsdiskussion!
Vor allem mit Blick auf die großen Herausforderungen – Wohnen, Umwelt, Klima, Mobilität, Arbeit und Soziales – ist es entscheidend, dass die Menschen in den Kommunen den Eindruck gewinnen, die politisch Verantwortlichen in den Räten und Verwaltungen verfügen über konkrete Visionen und mögliche Umsetzungsschritte …und natürlich auch über den Willen zur Umsetzung.
Verbotsdiskussionen werden keine Mehrheit finden. Wichtiger ist eine positive Aufbruchsstimmung. Diese lässt sich über vielfältige Maßnahmen erreichen, beispielsweise durch:
Bildung hat in der öffentlichen Diskussion einen hohen Stellenwert. Stichworte wie „Wissensgesellschaft“ und „lebensbegleitendes Lernen“ gehören zum Standardvokabular einer jeden Bildungsdiskussion. Anspruch und Wirklichkeit sind aber weit voneinander entfernt: Bildungserfolge hängen nach wie vor stark von der sozialen Herkunft ab; Inklusion steckt in den Kinderschuhen; Die Bildungsausgaben liegen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt und in internationalen Vergleichstests schneidet das deutsche Schulsystem nur durchschnittlich ab.
Dabei sind die Lösungen längst bekannt: Ausbau der frühkindlichen Bildungsangebote, verlässliche Kita-Betreuung, Ausbau von Ganztagsangeboten, länger gemeinsam lernen in einer inklusiven Schule für alle, eine stärkere individuelle Förderung, Verknüpfung der einzelnen Lernorte sowie die Verbesserung der Relation von Lehrenden und Lernenden sind nur einige Stichworte. Sie machen deutlich, dass es primär um die Frage nach der Finanzierung geht. Ein besseres Bildungssystem kostet mehr Geld! Es darf nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen!
Kommunale Bildungssteuerung nutzen!
Bildung und Schule sind das Fundament einer sozial gerechten und solidarischen Gesellschaft. Bildungs- und Schulpolitik sind Aufgabe der Bundesländer. Kommunen können aber über die äußere Schulverwaltung - Gebäude, Ausstattung, Schulsozialarbeit und Vernetzung unterschiedlicher Bildungsträger – das Bildungssystem entscheidend mitgestalten. Voraussetzung für ein stärkeres Engagement der einzelnen Kommunen ist ein Bildungsmonitoring, das als Grundlage einer Bildungssteuerung dient. Die Nachbarstadt Köln hat beispielsweise in 2012 einen umfangreichen Bildungsbericht erstellt, der als Vorbild dienen kann.
Für die DGB-Gewerkschaften in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis besteht das Ziel darin, pädagogische, soziale und kommunale Aspekte zusammenzuführen und die kommunale Jugend-, Bildungs- und Schulpolitik im Sinne einer „erweiterten Schulträgerschaft“ auszubauen.
Außerdem: Nur für die Stadt Bonn wird bis 2040 ein Bevölkerungszuwachs um 24.000 Menschen erwartet. Die vorliegende Schulentwicklungsplanung für die Bonner Grundschulen stellt dazu viel zu vorsichtig fest: „Ausgehend vom Jahr 2017 wird bis zum Jahr 2039 ein Zuwachs von 1.010 Kindern im Primarbereich erwartet (+8,4 Prozent), weitere 44 Klassen müssen eingerichtet werden.“ Für die weiterführenden Schulen gibt es bisher keine Schulentwicklungsplanung. Hier muss die Stadt dringend nachsteuern.
Wir sehen aber noch ein weiteres Problem: Die geplanten Neubaugebiete befinden sich überwiegend in den Schulbezugsräumen Bonn-West und Hardtberg, in denen es bereits 2018 erhebliche Probleme bei der Unterbringung in den fünften Klassen gab. Zugleich nehmen die Hardtberger Schulen die meisten Kinder aus dem ebenfalls wachsenden Witterschlick und aus Oedekoven auf. Deswegen benötigen wir gerade für die Schulstandorte an den Stadtgrenzen eine interkommunale Schulentwicklungsplanung einschließlich eines finanziellen Lastenausgleichs, z.B. für Fahrtkosten.
Insgesamt gilt für alle Kommunen: Das Schulangebot muss dem Bedarf entsprechen. Gerade bei den Gesamtschulplätzen sehen wir noch erheblichen Verbesserungsbedarf.
Inklusive Bildung von Anfang an!
Der DGB-Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg ist der Überzeugung, dass das bisherige Konzept der Inklusion an Schulen erweitert werden muss. Alle Kinder und Jugendliche haben unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft und ihren individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten einen unveräußerlichen Anspruch auf inklusive Bildung.
Schluss mit dem Gebäudenotstand
Viele Bildungseinrichtungen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sind renovierungs- oder sanierungsbedürftig. Die Kommunen sind bemüht, den Sanierungsstau zu beseitigen. Der Bonner Stadtrat hat beispielsweise eine Schulbauleitlinie für 32 Schulen verabschiedet. Doch die Maßnahmen reichen vielfach nicht aus. Die Sanierungen von Schulen, Volkshochschulen und Kitas müssen schneller erfolgen.
Gleiches gilt für die Investitionen in die digitale Infrastruktur an städtischen Schulen und Bildungseinrichtungen. Der 2019 in Kraft getretene „DigitalPakt“ zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist als reines Infrastrukturprogramm geplant. Allerdings reicht es nicht aus, Computer in Klassenräume zu stellen oder schnelle Datenleitungen zu ziehen. Es fehlen vielfach noch pädagogisch-didaktische Konzepte. Außerdem halten wir es für zwingend notwendig, Lehrkräften an den Beratungen von kommunalen schul- und bildungspolitischen Entscheidungen stärker zu beteiligen.
Für die Gebäude und deren Sanierung gilt: Bildung und Bildungseinrichtungen gehören in öffentliche Hand. Kommunen müssen selbst bauen. Öffentlich-Private-Partnerschaften lehnen wir ab.
Frühkindliche Bildung und Kita:
Jedes Kind hat ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und ab dem vollendeten 3. Lebensjahr einen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung. Die Realität sieht in vielen Kommunen leider anders aus. Deswegen fordern wir:
Lebensbegleitendes Lernen:
Soziale Gerechtigkeit und ein solidarisches Miteinander bedürfen der Bildung, die über schulische und berufliche Bildung hinausgeht. Gerade für Arbeitnehmer*innen stellt das lebenslange Lernen eine Notwendigkeit dar. Lebensbegleitendes Lernen ist erforderlich, um Qualifikationen für die Berufsbiografie zu aktualisieren und zu erweitern. Es beinhaltet aber auch die Förderung eines demokratischen Bewusstseins. Deshalb fordert der DGB-Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg eine kommunale Bildungsoffensive im Bereich der politischen Bildung. Notwendig sind dabei vor allem neue, digitale Formen. Sie tragen dazu bei, dass Bildungsangebote sich besser mit Familienleben und Beruf verbinden lassen.
Zuerst einmal möchten wir uns bei den Mitgliedern der Stadt- und Gemeinderäte des Kreistages und der vielen Ausschüsse in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis bedanken. Menschen, die kommunalpolitisch aktiv sind, verdienen unsere Unterstützung, unseren Respekt und unsere Anerkennung. Sie setzen sich ehrenamtlich für die Demokratie und unser Gemeinwesen ein. Sie investieren viel Zeit und übernehmen politische Verantwortung. Gleiches gilt für die hauptamtlichen Verwaltungsspitzen.
In letzter Zeit werden Kommunalpolitiker*innen aber immer häufiger beschimpft und bedroht, erleben Hass, Anfeindung und Gewalt. Das ist – bei allen politisch-inhaltlichen Differenzen - nicht hinnehmbar! Deshalb sagen wir deutlich: Schluss mit der Hetze und den Anfeindungen gegen Politiker*innen!
Klare Kante für Demokratie und Menschenrechte!
Als DGB engagieren wir uns dafür, dass radikale und gewaltbereite Kräfte zurückgedrängt und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden. Wir engagieren uns in zivilgesellschaftlichen Bündnissen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Und wir setzen uns für einen achtsamen Umgang in der Art und Weise ein, wie politische Konflikte ausgetragen werden. Achtsamkeit und die Austragung von inhaltlichen Konflikten sind kein Gegensatz!
Dabei gilt für uns: Die AfD ist für uns keine Gesprächspartnerin. Die Partei hat bei demokratischen Wahlen Mandate in Räten und Parlamenten errungen. Das bedeutet aber nicht, dass sie automatisch demokratischen Maßstäben und Werten genügt. Im Gegenteil: Die AfD duldet eine deutlich erkennbare Zahl von Mitgliedern in ihren Reihen, die durch rassistische, nationalistische oder faschistische Äußerungen auffallen. Sie ist eine Partei, in der Mitglieder offen ihre Ablehnung von Grund- und Menschenrechten äußern können. Die Verrohung der Sprache und der politischen Auseinandersetzung durch Teile der AfD fördert Hass und Gewalt.
Zu einer wehrhaften Demokratie gehört, sich klar von Parteien und Personen abzugrenzen, die demokratische Werte und Regeln in massiver Form missachten. Wir erwarten von den Kommunalparlamenten, dass sie sich ebenfalls klar abgrenzen und Beschlüsse so fassen, dass sie nicht auf die Stimmen demokratiefeindlicher Kräfte angewiesen sind. Die Vorgänge in Thüringen müssen allen demokratischen Politiker*innen eine Warnung sein.
Gewalt gegen Beschäftigte stoppen!
Neben der Gewalt gegen Politiker*innen sind aber auch die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes – besonders von Ordnungsamt, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Arbeitsverwaltung, Gesundheitswesen oder öffentlichem Personenverkehr – zunehmend mangelndem Respekt bis Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt. Die Gründe sind teilweise hausgemacht. Personalmangel, Arbeitsdruck oder Überlastung, unzureichende Aus- und Fortbildungen, mangelnder Informationsfluss sowie schlechte Ausstattung begünstigen Übergriffe. Aber auch die Prekarisierung von Arbeit oder der Abbau des Sozialstaates und die damit verbundene gesellschaftliche Desintegration und Verrohung tragen dazu bei, dass staatliche Repräsentanten*innen nicht mehr als solche geachtet werden. Respekt und Hemmschwelle sinken. In der Konsequenz nehmen Gewalt und Brutalität zu.
Es besteht, mit Blick auf die gesetzliche Fürsorgepflicht von Arbeitgeber*innen, dringender Handlungsbedarf:
Für uns stehen ganz klar Arbeitgeber und Dienstherr in der Pflicht, die Beschäftigten wirkungsvoll zu schützen. Wir brauchen Arbeitgeber und Dienstherren, die die Ängste ihrer Beschäftigten ernst nehmen und die sich kümmern. Und zwar nicht erst dann, wenn etwas passiert ist. Gefährdete Beschäftigte brauchen Hilfen, nicht nur den Knopf unter dem Schreibtisch. Sie brauchen Schulungen zu präventiven Deeskalationsstrategien und funktionierende Mechanismen der Nachsorge.
Eine wichtige Funktion in diesem Zusammenhang haben Führungskräfte. Schauen Führungskräfte weg, schleicht sich eine Normalisierung ein. Sie müssen daher sensibilisiert werden, dass auch der physische wie psychische Schutz der Beschäftigten zu ihren Aufgaben gehört. Geeignete Maßnahmen zu entwickeln, für deren Umsetzung Sorge zu tragen und regelmäßig Gefährdungsanalysen durchzuführen, ist ein Teil von Führung.
Die Schlussredaktion für die vorliegenden Kommunalpolitischen Forderungen fand Ende April 2020 statt – vor dem Hintergrund der Corona-Krise mit explosionsartig steigenden Zahlen von Kurzarbeit, ersten Kündigungen und weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Der DGB-Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg hat trotz dieser Ausnahmesituation entschieden, die „Kommunalpolitischen Forderungen 2020 - 2025“ nicht umzuschreiben. Die Forderungen und Vorschläge geben eine grundsätzliche Haltung wieder – unabhängig von der Pandemie und ihren Folgen.
Allerdings gilt es, aus der Pandemie die richtigen Schlüsse im Bund, im Land und in den Kommunen zu ziehen: